Sollte Journalismus marginalisierte Gruppen sichtbar machen?
Shownotes
In dieser Folge von malwiedersprechen diskutieren Ursula Ott (Chrismon Magazin) und Christian Wermke (Handelsblatt), wie sie Geschlechtergerechtigkeit definieren und diese in der Medienbranche stattfindet. Außerdem wird der Blick auf weitere marginalisierte Gruppen erweitert und die Relevanz von Diversität erörtert. Anschließend schaut Alexander Karam mit der Journalistin Wedad Al-Badwi auf die Herausforderungen und Erfolge von Journalistinnen im Jemen. Ein Land, das im aktuellen Ranking für die Pressefreiheit auf Platz 169 liegt.
Malwiedersprechen ist eine Kooperation von The What If, der DJS und dem Media Lab Bayern.
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00:00:00: Es ist die Aufgabe von Journalismus marginalisierte Gruppen sichtbarer zu machen und wie sieht's eigentlich mit der Repräsentation der Frau aus,
00:00:08: insbesondere in Ländern, in denen die Frauenrechte beschnitten sind. Darüber sprechen wir jetzt.
00:00:14: Mal wieder sprechen.
00:00:16: Mal wieder sprechen.
00:00:20: Wenn Widerspruch zum Dialog führt.
00:00:24: Mal wieder sprechen.
00:00:26: Mal wieder sprechen.
00:00:28: Mal wieder sprechen.
00:00:30: Mal wieder sprechen.
00:00:32: Da sind wir wieder beim Mal wieder sprechen, dem Podcast, der überdringende Themen im Journalismus spricht. Immer konstruktiv, immer in der Debatte, auch wenn die Standpunkte verschieden sind.
00:00:44: Heute steht die Frage im Mittelpunkt, ob es die Aufgabe von Journalismus ist, Sichtbarkeit von Frauen und marginalisierten Gruppen aktiv zu fördern.
00:00:53: Mein Name ist Sabrina Harper, ich bin die Host des Podcasts und begleite die Gesprächspartner*innen durch das Gespräch.
00:01:00: Zuerst schauen wir in den deutschsprachigen Raum und dann schalten wir rüber zu meinem Kollegen Alexander Karam, der sich mit Vedat Altbad wie einer bekannten Journalistin aus dem Jemen unterhalten hat.
00:01:12: Dort sind Frauen und Journalismus keine Selbstverständlichkeit. Wir starten allerdings hier in Deutschland und das sind die Gesprächsteilnehmer*innen.
00:01:21: Hallo, ich bin Ursula Ott, ich bin Chefredakteurin von Christmann in Frankfurt.
00:01:26: Ich fühle mich nicht so wahnsinnig gut repräsentiert, es gibt sehr wenige Frauen in Führungspositionen im Journalismus.
00:01:34: Hallo, ich bin Christian Bärmke, stellvertretender Ressortleiter, Wochenende und Report beim Handelsblatt.
00:01:40: Ich fühle mich als Mann, überrepräsentiert in den Medien, aber in Teilaspekt meines Seins, die Vieterschaft, nämlich ich bin junger Vater, mit 29 Vater geworden das erste Mal.
00:01:50: Da fühle ich mich ehrlich gesagt nicht repräsentiert.
00:01:53: Hallo Christian, Hallo Ursula, schön, dass ihr es in dem Podcast geschafft habt.
00:01:59: Hallo Sabrina.
00:02:01: Wir sprechen heute über Sichtbarkeit von Frauen und marginalisierten Gruppen in den Medien.
00:02:07: Sind Frauen denn genug repräsentiert? In den Geschichten, die wir lesen, hören, sehen?
00:02:14: Es gibt natürlich jede Menge Frauenbilder in den Medien, aber es gibt ja auch sehr viele wissenschaftliche Erhebungen darüber, dass die Frauen, wenn sie vorkommen, gerade im Fernsehen kommen sie sehr viel mehr vor als Männer, aber eben sehr oft in klischeehaften und stereotypen Positionen.
00:02:33: Also sie kommen oft als Opfer von Verbrechen vor zum Beispiel, sie kommen auch sehr oft nur als junge Frauen vor. Es gibt ja diese Marlisa-Stiftung von der Maria Furtwegner und ihrer Tochter und die ihr unermüdlich darüber forschen, dass zum Beispiel ältere Frauen, Frauen, die Chefinen sind und so weiter ganz selten vorkommen.
00:02:56: Deswegen allein nur so Strichlisten zu machen, würde uns glaube ich nicht weiterbringen, sondern es ist leider immer noch sehr stereotyp und klischeehaft wie Frauen in vielen, vielen Medien, vor allem den audiovisuellen und noch schlimmer in Social Media vorkommen.
00:03:09: Ich glaube, man muss auch bei den Medien natürlich differenzieren, was die Zielgruppe, aber auch die Leser höherer Scharfpublikum ist.
00:03:16: Beim Handelsbad zum Beispiel ist es leider immer noch so, dass ein Großteil unserer Leser eben Männer sind und zwar auch Männer ab einem gewissen Alter.
00:03:24: Wir versuchen natürlich das auch zu ändern, aber man darf natürlich auch die Zielgruppe als Medium nicht aus den Augen verlieren.
00:03:30: Das stimmt, aber ihr wollt natürlich auch ganz gerne die Managerinnen, die es gibt, was ja gerade letzte Woche war, glaube ich, eine Statistik, dass ein paar mehr Frauen im DAX-Vorstand sind, die wollte ja auch kriegen.
00:03:42: Ich glaube, man könnte viel tun, wenn man bei den Bildern besser aufpassen würde.
00:03:47: Es gibt ja gerade, das ist wirklich, wenn die sehr lustige Projektbilder mächtig, was von der Bundesregierung auch unterstützt wird.
00:03:53: Und da sieht man, dass in Wirtschaftsmedien immer noch sehr oft die Chefinnen immer mit denselben Pumps und Akkentasche und die Mütter, weil du gerade die Väter angesprochen hast,
00:04:05: Mütter, die arbeiten werden, immer noch mit so bescheuerten Fotos, dass das Baby neben der Tastatur liegt, wo jeder weiß, der Kinder hat und jede weiß, die Kinder hat, dass das so gar nicht funktioniert.
00:04:16: Also ich glaube, vieles würde auch besser werden, wenn man so ein bisschen vielfältiger würde in den Fotos.
00:04:22: Ja, da gebe ich dir auf jeden Fall recht.
00:04:24: Wir merken das auch natürlich bei uns im Alltag, dass es manchmal auch einfach schwierig ist, Experten zum Beispiel zu finden.
00:04:30: Wir merken das selber bei unseren Texten, dass wir ganz oft Experten sprechen und eben Experten dann vielleicht nicht drin vorkommen.
00:04:38: Ich fürchte allerdings, dass liegt nicht nur daran, dass vielleicht Männer überwiegend Männer dann auswählen als Gesprächspartner,
00:04:45: sondern dass auch leider, gerade aber in der Wirtschaft, weniger Frauen bereit sind, einfach auch öffentlich zu sprechen.
00:04:50: Ja, das stimmt. Und ich finde, das ist ein Appell an uns Frauen. Also das stelle ich auch fest,
00:04:55: dass wenn wir, wir geben uns wirklich sehr viel Mühe, dass wir mindestens gleich viele Expertinnen wie Experten befragen.
00:05:03: Aber Männer würden im Zweifelsfall selbst, wenn sie sich gar nicht so gut auskennen, in einem Thema,
00:05:09: würden sagen, na klar, morgen Mittag um elf gebe ich Ihnen Interview.
00:05:12: Und Frauen sind neigen eben immer noch dazu zu sagen, oh, jeder bin ich gar nicht so drin, da gibt es bestimmt jemanden, der besser ist als ich.
00:05:19: Da gibt es ganz viele Frauen, die ranarbeiten an Expertinnen, Daten, Banken und so.
00:05:24: Aber ich finde, du hast völlig recht, man muss jeder einzelnen Frau echt in den Hintern treten und sagen,
00:05:29: du musst auch vor die Kamera, du musst auch auf die Bühne. Und wenn du es nicht so super, super, super toll machst,
00:05:36: dann geht die Welt auch gar nicht unter, weil ganz viele Männer machen es auch nur so mittelmäßig.
00:05:41: Also da gebe ich dir total recht, wirklich.
00:05:44: Würdet ihr denn sagen, dass es die Aufgabe von Journalismus ist? Bleiben wir beim Beispiel Frauen jetzt als erstes aktiv,
00:05:54: Frauen dahin zu befördern, zu befähigen, zu unterstützen, dass sie in dem Medium jetzt egal, ob Print, Audio, Fernsehen,
00:06:05: was auch immer Internet stattfinden, oder sagt ihr, nein, das liegt in der Verantwortung der Frauen oder der jeweiligen Gruppe.
00:06:13: Also befähigen finde ich echt eins zu viel. Also ermutigen, ja, darüber haben wir ja gerade gesprochen.
00:06:19: Also ich, wenn ich selber, meistens sind das ja jetzt nicht ich, sondern meine Kolleg*innen, die ermuntern schon mal Frauen und sagen,
00:06:26: ich glaube schon, dass sie die richtige sind, ich habe einen Aufsatz von ihnen gelesen, das wird super.
00:06:31: Aber befähigen, das finde ich ist tatsächlich eins zu viel. Also das kann die Journalistenschule machen
00:06:36: und das können Coaches und Fortbildungsinstitutionen machen.
00:06:40: Ich würde aber tatsächlich gerne den Fokus ein bisschen öffnen von den Frauen überhaupt auf, also wir versuchen bei Grismon,
00:06:48: das gelingt das natürlich auch nicht, aber so aufs Jahr gesehen gibt es eine Kollegin,
00:06:52: wenn wir meine Textchefin Maraj gefallet, die tatsächlich nach mehreren Diversitätsmerkmalen unsere Protagonisten durchguckt.
00:07:00: Und die guckt jetzt nicht nur, haben wir gleich viele Frauen wie Männer, das sind wir super, die guckt auch tatsächlich,
00:07:05: haben wir Protagonisten und Protagonist*innen mit Migrationshintergrund.
00:07:09: Das sind wir schon mal nicht so gut, vor allem außerhalb des Klischees haben wir genug Menschen mit Behinderung,
00:07:16: das sind wir wiederum ganz gut, da machen wir irre viel, haben wir genug Protagonisten aus Ostdeutschland,
00:07:21: die nicht nur als Nazis und AfD-Wähler vorkommen, sind wir nicht so gut.
00:07:26: Also das ist übrigens wahnsinnig mühsam, diese Strichliste zu machen, aber wir haben da einmal mit angefangen,
00:07:32: nachdem wir mit den neuen deutschen Medienmachern so einen Briefing hatten, die uns das empfohlen haben,
00:07:38: dass man das einmal im Jahr macht, einfach so Strichlisten macht.
00:07:41: Und die erträgt es dann der Redaktion vor und gut, wir sind ja jetzt auch keine Uni,
00:07:45: das hilft aber zumindest, dass wir einmal im Jahr sagen, oh verdammt, das war jetzt echt kein gutes Jahr,
00:07:51: was zum Beispiel Geschichten mit Migrationsgeschichte angeht oder mit Ostdeutschland angeht.
00:07:58: Und dann versuchen wir halt bei der nächsten Recherche da einfach ein Auge drauf zu haben,
00:08:02: ohne da so eine Korinthenkackerei draus zu machen, so ist das Leben ja nicht,
00:08:06: und der Journalismus funktioniert so natürlich auch nicht, aber manchmal hilft es total,
00:08:11: so ein bisschen angestupsst zu werden und bei der nächsten Recherche zu denken,
00:08:15: okay ich frage, gezielt noch mal nach einem Mann oder nach einer Frau?
00:08:18: Also wir haben übrigens tatsächlich manchmal das Problem, dass wir zu wenige Männer haben.
00:08:22: Das Problem haben wir beim Handelswort nicht, es ist tatsächlich wirklich eher ein Problem,
00:08:25: dann Protagonistinnen zu finden, auch Menschen mit Migrationshintergrund, die sprechen wollen,
00:08:31: auch vor allem außerhalb dieser Stereotype, das fand ich ganz wichtig, was du gesagt hast,
00:08:35: dass man nicht immer nur die gleiche Geschichte erzählt, sondern ja, da sind ja auch einfach viele,
00:08:40: viele Aufstiege dahinter, dass man das einfach uns positiv dreht und nicht vom Stereotyp her denkt,
00:08:45: finde ich ganz wichtig, aber für mich ist das auch so ein bisschen eine Gradwanderung,
00:08:49: weil ich finde, dass Journalismus dann nicht umkippen darf in so ein Aktivismus.
00:08:53: Also man muss natürlich trotzdem irgendwie versuchen, die Wirklichkeit weiter abzubilden,
00:08:57: dass man das nicht aus den Augen verliert, finde ich da ganz wichtig.
00:09:00: Ich merke, wenn ihr beide sprecht, ihr benutzt männliche und weibliche Formen.
00:09:07: Gender ist ja auch so ein Thema gerade im Deutschen, was sehr umstritten ist.
00:09:12: Habt ihr dazu eine Haltung?
00:09:15: Ich finde, dass Gender auf jeden Fall wichtig ist, aber die Frage ist, wie man es macht.
00:09:21: Also ich mache es zum Beispiel, mich stört es in Texten, wenn ich ein Sternchen sehe oder einen Unterstrich,
00:09:28: auch wenn es in der Tagesschau, wie es zeitweise wahrgesprochen wird,
00:09:33: mich haut es immer raus aus dem Leseflus oder auch aus dem Hören.
00:09:37: Ich benutze trotzdem gerne beide Formen.
00:09:40: Also ich mache es jetzt nicht, dass ich in einem Text schreiben würde, Unternehmerinnen und Unternehmer.
00:09:44: Ich finde, das ist auch sehr lang, wenn man das durchdezidiert mit mehreren verschiedenen Jobs,
00:09:49: aber ich mache dann gerne Ärztinnen und Pfleger zum Beispiel.
00:09:53: Und versuche damit ja auch zu sagen, gerade vielleicht Jobs, wo man eher an Frauen denkt,
00:09:57: oder eher an Männer, das einfach mal umzudrehen.
00:10:00: So benutze ich es einfach und finde das eine ganz saubere Lösung,
00:10:04: die jetzt nicht in den Leseflus extrem stört.
00:10:07: Also letztes Mal mache ich auch Ärztinnen und Pfleger gegen das Klischee,
00:10:11: also nicht der Chefarzt und die Krankenschwester, sondern gegen das Klischee abwechseln.
00:10:16: Das finde ich auch eine sehr elegante Methode, geht aber halt auch nicht immer.
00:10:20: Also wir haben unsere, wir haben dann echte Learning Journey hinter uns,
00:10:23: wir haben jetzt halt lang mit dem Doppelpunkt gegendert, der unsere Leser wahnsinnig aufgeregt hat
00:10:28: und der dann sich auch rausgestellt hat als gar nicht barrierefrei.
00:10:31: Das war aber eigentlich die Idee, dass diese, für die Seebehinderten, die Reader das lesen können,
00:10:35: das stimmt ja gar nicht, da ist der Sternchen besser.
00:10:38: Das Sternchen bringt unsere Leserinnen und Leser auch total auf Zinne.
00:10:42: Es gibt überhaupt kein anderes Thema, was die Menschen so triggert,
00:10:46: ist ja echt ein Triggerpunkt wie dieses Thema.
00:10:49: Deswegen haben wir Schulungen gemacht, also wir haben uns mit dem Projekt Gender leicht.
00:10:54: Das sind Frauen aus dem Journalismus, die sich darum bemühen,
00:10:58: eben leicht, also leicht für sich und elegant zu gendern, ohne diese Sonderzeichen.
00:11:03: Da haben wir hier einen extra Workshops angeboten und versuchen auch soweit es geht,
00:11:07: das Sternchen zu verweiden.
00:11:09: Manchmal lässt sich es aber nicht vermeiden, aus Platzgründen,
00:11:12: du hast es gerade schon gesagt, man kann nicht immer Kolleginnen und Kollegen schreiben.
00:11:15: Und dann machen wir auch schon mal ein Sternchen und dann weiß ich aber sofort,
00:11:19: dass es mindestens 20 Leserbriefe nur darüber gibt.
00:11:22: Aber dann schreibe ich dir jedem einzelnen Lesere, das sind dann immer Männer, die schreiben.
00:11:26: Schreibe ich, wenn sie dann schreiben, also wenn sie nicht bald aufhören mit diesem Sternchen,
00:11:30: dann stellen wir das ab und dann schreibe ich, es tut mir leid,
00:11:33: das Bemühlen um Diversität und um Abbilden des ganzen Universums,
00:11:37: das wird nicht mehr weggehen, da müssen wir jetzt mit leben und wir bemühen uns.
00:11:41: Und dann erkläre ich das, wie wir das machen.
00:11:43: Aber es wird ein ewiger Streitpunkt bleiben, durchaus auch bei jungen Leuten.
00:11:47: Die Shell-Jugendstudie zum Beispiel hat gerade rausgefunden,
00:11:50: dass gar nicht alle jungen Leute das gut finden.
00:11:52: Also es wird ein Streitpunkt bleiben, aber Sprache entwickelt sich einfach immer weiter
00:11:57: und wir in der Redaktion entwickeln uns da auch immer weiter.
00:12:01: Ihr bekommt Gegenwind für die Wortwahl, die ihr trefft.
00:12:07: Ich möchte den Klammer auch noch dazu geben, da es ja auch um marginalisierte Gruppen geht.
00:12:12: Bei den Beispielen, die ihr jetzt genannt habt, sind ja nonbinäre Personen nicht abgedeckt.
00:12:17: Klammer zu.
00:12:19: Ihr bekommt diesen Gegenwind.
00:12:22: Seht ihr es als Aufgabe, als Journalist, als Journalistin,
00:12:27: das Standhaft zu bleiben oder sagt ihr, nein,
00:12:31: da müssen wir uns dann dem Leser in dem Fall meistens beugen
00:12:36: und wieder einen anderen Weg einschlagen oder es lassen.
00:12:40: Dem Leser, dem meckeren Leser beugen, das klingt irgendwie gar nicht gut.
00:12:44: Wir müssen mit dem Leser in den Dialog gehen, erklären, was wir tun.
00:12:48: Beugen tun wir uns dem nicht.
00:12:50: Ja, die nonbinären, die deckt tatsächlich nur das Sternchen ab.
00:12:54: Das ist ja auch ein Grund dafür, diesen Stern zu benutzen.
00:12:56: Wenn es um Kontexte geht, wo das wichtig ist,
00:12:59: tatsächlich haben wir natürlich auch schon viele Bitte-Sythemen berichtet,
00:13:03: dann würden wir auch eher das Sternchen benutzen
00:13:06: und trotzdem haut das Sternchen wirklich viele Leute aus dem Lesefluss.
00:13:09: Deswegen ist es am Ende des Tages irgendwie eine pragmatische Entscheidung,
00:13:12: wie oft man das macht oder nicht.
00:13:15: Ich finde schon, dass wir Medienleute so eine gewisse Vorbildfunktion haben.
00:13:21: Ich meine, man hat es mit der Frankfurter Bruchmesse gehört,
00:13:24: Bücher werden zwar noch gelesen, aber nicht mehr so viel.
00:13:27: Was lesen die Leute? Medien.
00:13:29: Deswegen finde ich schon, dass wir auch eine gewisse Verantwortung haben,
00:13:33: unsere Sprache, die wir benutzen, immer weiter zu entwickeln
00:13:36: und auch gut zu reflektieren, was wir da tun.
00:13:39: Wir werden ja noch gelesen auf den unterschiedlichsten Kanälen.
00:13:42: Deswegen finde ich schon, dass wir schon ein Wissinnender
00:13:45: eine gewisse Verantwortung haben.
00:13:47: Übrigens, Christian, das gibt mir anders.
00:13:49: Bei dem Gelesenen stört mich überhaupt gar nicht.
00:13:51: Der Deutschlandfunk macht das ja auch und so.
00:13:53: Das habe ich mir jetzt irgendwie angewöhnt mit dem Journalist*innen.
00:13:56: Das ist für ihn nicht so schwierig.
00:13:58: Das ist für ihn nicht so schwierig, wie das Sternchen im Gedruckten.
00:14:01: Ich stolpe immer noch über beides.
00:14:03: Ich weiß auch nicht, woran das liegt.
00:14:05: Aber ich bleibe da einfach hängen.
00:14:09: Ich finde aber auch, dass es ja noch andere Möglichkeiten gibt.
00:14:12: Man kann ja nicht nur Student*innen und Student*innen sagen,
00:14:15: sondern wir nutzen dann auch Formen wie Studierende zum Beispiel.
00:14:18: Wir sind dann wirklich alle in Begriffen.
00:14:20: Man kann schon Begriffe definieren,
00:14:23: wo die komplett inklusiv einfach sind.
00:14:26: Das ist natürlich auch ein Weg, das hinzukriegen.
00:14:28: Das probieren wir auch.
00:14:30: Das gelingt nicht immer.
00:14:32: Manchmal redigiere ich Sachen.
00:14:34: Bei der Finale gebe ich,
00:14:36: ich bin die letzte Station vor Sachen in Druck gehen.
00:14:38: Wenn ich dann noch so was sehe, wie jeder Komma,
00:14:41: der in den Gottesdienst geht zum Beispiel,
00:14:43: da kann man einfach schreiben, alle Komma, die.
00:14:46: Das ist gar nicht so schwierig.
00:14:48: Die Kollegin hat einfach vergessen, das so zu machen.
00:14:51: Das ist auch irgendwie eine Übungssache.
00:14:53: Und dann hast du vielleicht, wenn man es gut macht,
00:14:56: hat man alle, also manchmal alle, auch die Non-Vinea.
00:14:59: Ich würde gerne noch ein Thema mit aufnehmen,
00:15:02: das ihr am Anfang gesagt habt.
00:15:05: Und zwar, Christian, hast du gesagt,
00:15:07: du fühlst dich nicht repräsentiert als junger Vater.
00:15:10: Und Ursula, du hast gesagt,
00:15:12: du fühlst dich nicht repräsentiert,
00:15:14: weil es zu wenig Chefredakteurinnen gibt.
00:15:17: Lasst uns noch mal diese Innenansicht nehmen.
00:15:20: Jetzt haben wir viel darüber gesprochen,
00:15:22: wie das nach draußen ist, ob man Gruppen abbildet.
00:15:25: Viel am Beispiel der Frau haben aber auch marginalisierte Gruppen gemeint.
00:15:30: Wenn wir noch mal in die Innenansicht gehen,
00:15:32: wie Medien funktionieren,
00:15:34: wie geht es da euch mit marginalisierten Gruppen
00:15:39: oder auch Frauen?
00:15:41: Ich möchte Frauen nicht als marginalisiert bezeichnen,
00:15:43: weil sie, wenn man durchzählt,
00:15:45: ja, eigentlich knapp die Mehrheit bilden.
00:15:48: Ursula, du hattest das gesagt.
00:15:51: Ich würde gerne etwas zu den jungen Väter sagen.
00:15:53: Wir haben so eine Kolumne,
00:15:55: "Junge von zwei jungen Väter" geschrieben.
00:15:57: Und wir sind echt eine mega familienfreundliche Redaktion.
00:16:00: Also wir haben richtig viele junge Väter.
00:16:03: Die ist sich auch sehr bemerkbar machen in den Themen,
00:16:05: viele Themenvorschlagen.
00:16:07: Da muss ich als ältere Mutter sagen,
00:16:10: ich lese das alles gerne, aber ich finde es super, dass wir das machen.
00:16:13: Aber manchmal denke ich auch, Boah, Väter,
00:16:16: da gibt es ja auch ganz viele prominente Vorbilder
00:16:19: von Axel Hackebüß, was weiß ich, Bücher ohne Ende.
00:16:22: Väter machen auch manchmal ein Zirkus,
00:16:24: schon also um Sachen, die Mütter schon seit Ewigkeiten einfach machen.
00:16:28: Man muss immer, das ist ein schmaler Grad.
00:16:31: Ich find's super, dass die sichtbar werden,
00:16:33: weil jeder Vater, der arbeitet und Kinder hat,
00:16:36: wieder ein Rollmodel ist für andere Väter,
00:16:38: die dann vielleicht auch Väterzeit nehmen.
00:16:40: So heißt übrigens unsere Väter-Kolumne Väterzeit.
00:16:43: Aber manchmal denke ich auch, mein Gott,
00:16:45: kein Buchverlag hätte das getrubt, wenn es wohl auf Frau gekommen wäre.
00:16:49: Aber so ist es wahrscheinlich immer,
00:16:51: wenn jemand eine neue Rolle ausprobiert,
00:16:53: dann ist es halt interessanter,
00:16:55: als die Frauen, die das seit 2000 Jahren machen,
00:16:58: immer noch ein riesiger Teil der Kehrarbeit
00:17:00: immer noch von Frauen gemacht wird.
00:17:02: Und ein Großteil der Kinder betreuen immer noch bei den Frauen liegt.
00:17:05: Aber trotzdem ist dann, wenn dann der Vater in so einer Geschichte vorkommt,
00:17:09: auch oft mal ein bisschen klischeebehafter,
00:17:12: als der, der es eigentlich nicht kann,
00:17:14: oder als der, der sich irgendwas nicht traut,
00:17:16: oder der Angst hat, das Kind fallen zu lassen.
00:17:19: Da haben wir dann auch so Klischees.
00:17:21: Das ist natürlich weit weg von der Unterrepräsentiertheit,
00:17:24: wie sie in anderen Bereichen ist.
00:17:26: Wahrscheinlich für Männer, die sichs eh überrepräsentiert fühlen.
00:17:29: Aber da wiegen wir, glaube ich, oft sehr in dieses Klischee einfach ab.
00:17:33: Und ich bin sehr dankbar, dass ihr das so macht.
00:17:36: Ich mag die Kolumne sehr gerne.
00:17:38: Und wie ist das mit Frauen in Chefredaktionsposten?
00:17:41: Da hattest du Ursula gesagt, da fühlst du dich unterrepräsentiert?
00:17:46: Ich wünsche mir einfach, dass wir noch mehr werden.
00:17:48: Also bei uns im Haus gibt es gerade ganz neue weibliche Doppelspitze
00:17:52: an der Spitze des Hauses.
00:17:54: Und wir sind auch zwei Chefredakteure.
00:17:55: Ich kann überhaupt nicht beschweren hier im Haus, wirklich gar nicht.
00:17:59: Aber ich gehe ganz gerne, weil es total interessant ist,
00:18:02: zu Chefredakteursrunden mit Chefredakteuren von Regionalzeitrunden.
00:18:06: Und da ist der Frauenanteil eben minimal.
00:18:08: Da gibt es auch jetzt eine ganze riege, ganz tolle junge Frauen.
00:18:12: Aber der überwiegende Anteil ist dem noch Männer.
00:18:15: Und manchmal denke ich, ich würde gerne noch mal 10 Jahre
00:18:18: in die Zukunft gucken, weil gerade diese zum Teil ältere Männer,
00:18:21: die jetzt nicht mehr so lustig sind, wie ich,
00:18:23: die heulen dann manchmal so den alten Zeiten nach.
00:18:26: Zum Beispiel Bananisbeispiel, die beklagen sich manchmal in diesen Runden,
00:18:30: dass früher viel mehr gesoffen wurde.
00:18:32: Jetzt halt dann mehr Frauen dabei sind und finden ja es nicht mehr so lustig.
00:18:36: Ja, denke ich mir, Mensch, lass noch mal 10 Jahre ins Land gehen.
00:18:40: Dann sind es ja vielleicht genauso viele Männer wie Frauen.
00:18:43: Das wäre ja top.
00:18:44: Und dann muss man nicht mehr diese Nostalgie haben.
00:18:47: Also ich finde, da ist gerade was so ein Umbruch.
00:18:50: Wo vielleicht einfach mal gleich viele Frauen wie Männer
00:18:52: an diesen Runden sitzen.
00:18:54: Ich bin jetzt seit 12 Jahren beim Handelsblatt
00:18:56: und hab da auch einige Chefredakteure erlebt.
00:18:59: Und wir haben jetzt seit einigen Jahren auch eine paratätisch besetze
00:19:02: Chefredaktion, also zwei Männer, zwei Frauen.
00:19:04: Und haben eine Geschäftsführerin seit einigen Jahren bei uns im Verlag.
00:19:08: Und es tut diesem Laden einfach extrem gut.
00:19:10: Also der Kultur insgesamt, die hat sich wirklich komplett geändert.
00:19:14: Ja, ich weiß nicht, es ist einfach ein frischer Wind.
00:19:17: Es werden einfach Themen anders angegangen.
00:19:20: Und ja, ich kann das eigentlich nur jedem Medienhaus wünschen,
00:19:23: dass das dort genauso funktioniert.
00:19:26: Ich mach mal ein Beispiel.
00:19:28: Eine dieser Chefredakteurs Runden war neulich bei ZDF Digital.
00:19:31: Die machen da wirklich unheimlich viele Spielereien, technisch.
00:19:35: Und das Witzige war, dass viele der Männer voll das Klischee,
00:19:38: die konnten sich gar nicht beruhigen.
00:19:41: Und wie doll das ist, wenn man sich vor so einem Greenscreen stellt
00:19:44: und dann, wow, und da kann man das einblenden und jenes einblenden.
00:19:47: Mir ging das viel zu lange.
00:19:49: Ich hab sofort verstanden, tolle Technik.
00:19:51: Aber im Leben werde ich hier im Abendjob nicht ein Greenscreen einführen.
00:19:55: Dieser ganze technische Klimmbimm hat mich gar nicht so interessiert,
00:19:58: aber gut, die Männer hat es mega interessiert.
00:20:01: Dann kam das Thema, dass die bei ZDF Digital supervorbildlich
00:20:05: mit ihren Social-Media-Leuten umgehen, was das Thema Resilienz angeht.
00:20:09: Weil die total viele schlimme Kommentare moderieren müssen.
00:20:13: Das war die Stunde der anwesenden Frauen.
00:20:15: Das ist auch mehr mein Thema, da konnte ich mich auch einbringen.
00:20:18: Und da dachte ich wieder mal, wie gut,
00:20:20: dass in dieser Runde Männer und Frauen sind.
00:20:23: Weil nicht immer verhalten sie sich so klischeehaft,
00:20:27: aber die Mischung macht sie am Ende.
00:20:29: Und das würde an vielen Runden echt gut tun,
00:20:32: so wie du das gerade gesagt hast, Christian.
00:20:34: Abschließend die Frage.
00:20:36: Ist es die Aufgabe von Journalismus,
00:20:39: aktiv andere Gruppen nach vorn zu stellen?
00:20:43: Nach diesen 20 Minuten?
00:20:45: Wie ist da euer Eindruck?
00:20:47: Erstens glaube ich, dass wir beide gar nicht so weit auseinander sind.
00:20:51: Gerade was die Repräsentanz von Frauen, von Vätern und so anbetrifft.
00:20:55: Und ich glaube schon, auf dem Weg zu einer besseren Welt,
00:20:58: bis Gerechtigkeit hergestellt ist, was wahrscheinlich nie der Fall sein wird.
00:21:02: Aber bis die Welt eine bessere ist, wo mehr Frauen und mehr Väter
00:21:06: und mehr Menschen mit Behinderung und Menschen mit Migrationsgeschichte
00:21:09: vorkommen an den Schalltiebeln der Macht,
00:21:12: bis dahin finde ich es legitim, besonders auf die zu schauen,
00:21:17: die nicht von selber in die Medien kommen.
00:21:19: Ich kann dem eigentlich zustimmen,
00:21:21: wir sind wirklich nicht sehr weit auseinander.
00:21:23: Wie gesagt, nur die Grenze zum Aktivismus hin.
00:21:26: Und da, wo es anfängt, die Wirklichkeit zu verzerren,
00:21:29: da wäre es mir dann ein Stück einfach zu weit.
00:21:31: Aber ich glaube, die Richtung ist schon richtig.
00:21:34: Vielen Dank, Christian. Vielen Dank Ursula,
00:21:36: dass ihr hier in den Podcast gekommen seid.
00:21:38: Soweit sind das die Eindrücke von Ursula Ott und Christian Wärmke.
00:21:43: Das Thema Sichtbarkeit von bestimmten Gruppen
00:21:45: ist weltweit ein Thema.
00:21:47: Im Jemen gibt es Medienunternehmen, die von Frauen geführt werden
00:21:51: und explizit das Augenmerk auf weibliche Themen lenken.
00:21:55: Zum Beispiel in sogenannten Gender-Newsrooms.
00:21:59: Und das ist in einem Land,
00:22:00: das im jährlichen Pressefreiheitsranking weiter hinten liegt,
00:22:04: wirklich ungewöhnlich.
00:22:06: Mein Kollege Alexander Karam von The What If
00:22:08: spricht mit der Journalistin Vedad al-Badwin
00:22:12: über Frauen und Journalismus.
00:22:14: Davor noch ein kurzer Blick auf die aktuelle Situation im Jemen.
00:22:19: Der Jemen zählt zu den Ländern mit der weltweit niedrigsten Pressefreiheit.
00:22:25: Auf dem World Press Freedom Index belegt das Land Platz 169 von insgesamt 180.
00:22:31: Seit Beginn des Konflikts im Jahr 2014
00:22:35: stehen die Medien unter enormem politischen und militärischen Druck.
00:22:38: JournalistInnen arbeiten oft unter Lebensgefahr
00:22:41: und die Kontrolle über die Medien
00:22:43: ist zwischen verschiedenen politischen Fraktionen aufgeteilt.
00:22:47: Die humanitäre Lage im Land ist verheernd.
00:22:49: Nach Angaben der Vereinten Nationen
00:22:51: sind über 24 Millionen Menschen im Jemen auf humanitäre Hilfe angewiesen,
00:22:56: darunter 12,4 Millionen Frauen und Mädchen.
00:22:59: Frauen tragen häufig die Hauptverantwortung für ihre Familien
00:23:03: und sind dennoch besonders stark betroffen.
00:23:05: Nur etwa 6 Prozent der Frauen sind erwerbstätig
00:23:08: und die Analphabetenrate unter ihnen liegt bei rund 65 Prozent.
00:23:13: Hohe Hürden im Bildungs- und Gesundheitsbereich
00:23:15: und traditionelle Rollenbilder
00:23:17: schränken die öffentliche Präsenz von Frauen zusätzlich ein.
00:23:20: (Dynamische Musik)
00:23:22: Ja, vielen Dank, Sabrina, für diese spannende Diskussion.
00:23:26: Im zweiten Teil dieser Episode
00:23:28: schauen wir uns das Thema aus einer Perspektive im Jemen an.
00:23:32: Und dazu habe ich mit Wadad al-Badwi gesprochen.
00:23:35: Wadad ist Journalistin und Gründerin
00:23:38: des Cultural Media Centers in Sana'a.
00:23:41: Damit unterstützt sie unter anderem Journalismus,
00:23:43: der sich mit Frauenrechten auseinandersetzt
00:23:46: und möchte jungen Frauen den Einstieg in den Journalismus erleichtern.
00:23:50: Wie schaut sie auf das Thema um die Sichtbarkeit
00:23:53: von Frauen im Journalismus?
00:23:55: Wadad, herzlich willkommen.
00:23:57: Was hat dich als junge Frau inspiriert, Journalistin zu werden?
00:24:01: (Dynamische Musik)
00:24:02: Was mich besonders inspiriert hat, war meine eigene Erfahrung,
00:24:08: die ich von klein auf gemacht habe.
00:24:10: Vor allem in ländlichen Regionen
00:24:12: erlebt man als Frau systematische Ausgrenzung.
00:24:16: Schon als Schülerin habe ich erlebt, wie ich und andere
00:24:20: wegen ihres Geschlechts diskriminiert werden.
00:24:23: Ich sah, dass Frauen oft nicht einmal ihre grundlegendsten
00:24:27: und legitimen Rechte haben.
00:24:30: Ursprünglich wollte ich Anwältin für Frauenrechte werden,
00:24:33: um mich für die Anliegen von Frauen einzusetzen.
00:24:37: Doch als ich für das Jurastudium nicht zugelassen wurde,
00:24:40: habe ich mich an der Universität Sana'a
00:24:42: für Medienwissenschaften eingeschrieben,
00:24:44: um Journalistin zu werden.
00:24:47: So konnte ich mich durch meine Artikel für Frauenrechte einsetzen
00:24:51: und die Wahrheit verteidigen.
00:24:53: (Dynamische Musik)
00:24:54: Du hast eben schon die Herausforderungen benannt,
00:25:00: was sind denn diese Herausforderungen,
00:25:02: denen man als Frau und vor allem als Journalistin
00:25:05: im Jemen begegnet?
00:25:06: (Dynamische Musik)
00:25:07: Im Jemen gibt es für Frauen große Herausforderungen,
00:25:11: unabhängig davon, ob sie arbeiten oder nicht.
00:25:15: Als Journalistin ist der Druck jedoch besonders hoch.
00:25:18: Es herrscht eine Art Schamkultur,
00:25:21: die mir und meiner Familie suggeriert,
00:25:23: dass ich mich für meinen Beruf schämen sollte.
00:25:26: Für meine Eltern ist es oft belastend,
00:25:29: dass sie ständig gefragt werden,
00:25:31: wie sie mir erlauben konnten, als Journalistin zu arbeiten.
00:25:34: (Dynamische Musik)
00:25:35: Viele sehen diesen Beruf als unmoralisch für Frauen,
00:25:41: vor allem, weil man mit Männern interagiert
00:25:44: und auch abends oder nachts arbeiten muss.
00:25:47: Nach Meinung der Gesellschaft
00:25:49: sollten Frauen zu solchen Zeiten zu Hause sein.
00:25:52: Und wie bist du mit diesem Druck umgegangen
00:25:55: bzw. wie gehst du heute damit um?
00:25:57: Hm.
00:25:59: (Er spricht arabisch.)
00:26:01: Oft habe ich meiner Familie gesagt,
00:26:03: dass ich woanders bin, als ich tatsächlich war.
00:26:06: In den Männerdominierten Redaktionen
00:26:09: fühlt man sich allerdings nicht wirklich wohl,
00:26:11: weil die Kollegen sich fragen,
00:26:13: warum man als Frau abends noch dort ist und nicht zu Hause.
00:26:17: Ich versuche das auszugleichen,
00:26:21: indem ich immer mein Bestes gebe.
00:26:24: Deswegen arbeite ich sogar noch härter,
00:26:26: um zu beweisen, dass ich als Journalistin
00:26:29: genauso gut sein kann wie meine männlichen Kollegen.
00:26:32: (Er spricht arabisch.)
00:26:34: Du hast eben diesen gesellschaftlichen Druck erwähnt
00:26:40: und die Männerdominierten Redaktionen.
00:26:42: Kann man denn da als jemenitische Journalistin
00:26:45: überhaupt frei auswählen, über welche Themen man schreiben
00:26:48: oder berichten möchte?
00:26:50: (Er spricht arabisch.)
00:26:52: Jemenitische Journalistinnen werden oft in klischeehafte Bereiche
00:26:56: wie Familien oder Kinderthemen gedrängt.
00:26:59: Wenn sie versuchen, sich von diesen Themen zu lösen,
00:27:02: müssen sie wirklich viel Einsatz zeigen.
00:27:05: (Er spricht arabisch.)
00:27:07: Ihnen fehlen Netzwerke und häufig auch ein gleichwertiger Zugang
00:27:12: zu wichtigen Quellen.
00:27:14: Trotzdem müssen sie Wege finden,
00:27:16: um mit ihrer Arbeit herauszustechen und anerkannt zu werden.
00:27:20: (Er spricht arabisch.)
00:27:24: Was gibt es denn aktuell für Chancen,
00:27:26: im jemenitischen Journalismus dieses Frauenbild zu verändern?
00:27:29: (Er spricht arabisch.)
00:27:32: Seit dem Kriegsbeginn 2015 wurden Frauenthemen immer weniger behandelt,
00:27:38: da viele Journalister nennen, ihre Arbeit aufgeben mussten.
00:27:42: Und die heutigen Redaktionen oft aus jungen Männern bestehen,
00:27:45: die politischen Gruppen angehören.
00:27:48: Frauenthemen werden oft nur an besonderen Anlässen
00:27:52: wie dem internationalen Frauentag angesprochen.
00:27:55: Ansonsten interessiert das Thema nicht viele.
00:27:58: In den letzten vier Jahren haben zivilgesellschaftliche Organisationen
00:28:04: begonnen, wegen des Rückgangs weiblicher Stimmen
00:28:07: immer mehr Druck auszuüben
00:28:09: und Redaktionen finanziell zu unterstützen,
00:28:12: um mehr Frauen in den Medien sichtbar zu machen.
00:28:15: Ich selbst habe das für den Sender Al-Saidah konzipiert.
00:28:19: (Er spricht arabisch.)
00:28:22: Dort wurden inspirierende Frauen interviewt.
00:28:25: Die Reaktionen waren unglaublich.
00:28:27: Viele Zuschauer waren beeindruckt, diese Frauen kennenzulernen,
00:28:32: die vorher noch nie öffentlich aufgetreten waren.
00:28:35: Sie fragten sich, warum sie vorher nichts von ihnen gehört hatten.
00:28:39: Und hast du Erwartungen an den Staat,
00:28:42: dass er jemenitische Journalistinnen
00:28:44: in irgendeiner Form unterstützen könnte?
00:28:47: (Er spricht arabisch.)
00:28:50: Ehrlich gesagt kann man von der Regierung kaum erwarten,
00:28:53: dass sie Schutz bietet,
00:28:55: da sie sehr viel mit sich selbst beschäftigt ist.
00:28:58: Was jedoch wichtig wäre, ist,
00:29:00: dass sie Journalistinnen weniger Steine in den Weg legt
00:29:03: und aufhört zu behindern.
00:29:05: In Europa und Deutschland diskutieren wir bei der Frage
00:29:10: um Sichtbarkeit bzw. um Chancen von Frauen.
00:29:13: Sehr oft um das Thema Frauenquote, weil man sagt,
00:29:16: das System von sich aus Frauen benachteiligt.
00:29:20: Jetzt haben wir im Jemen, du hast es gerade beschrieben,
00:29:23: auch, wenn gleich auf einem anderen Niveau,
00:29:25: die Situation, dass das System die Gesellschaft an sich Frauen
00:29:29: stark benachteiligt.
00:29:30: Ist eine Frauenquote etwas, was im Jemen diskutiert wird?
00:29:34: (Er spricht arabisch.)
00:29:36: Ja, es wird darüber gesprochen,
00:29:40: dass Frauen mindestens 30 Prozent der Machtpositionen einnehmen sollten.
00:29:44: Wir brauchen eine solche Quote auch,
00:29:47: damit ihre Perspektiven in den kommenden Jahren mehr gehört werden.
00:29:51: Die Quote ist daher gerade für den Journalismus wichtig,
00:29:55: solange die Gesellschaft,
00:29:56: die volle Teilhabe von Frauen nicht anerkennt.
00:29:59: Wenn mehr Frauen sichtbar sind, ermutig das,
00:30:02: auch andere junge Frauen in den Journalismus zu gehen.
00:30:06: (Er spricht arabisch.)
00:30:07: Wadat, wie sieht denn für dich die Zukunft von Frauen
00:30:10: im Journalismus im Jemen aus?
00:30:13: (Er spricht arabisch.)
00:30:15: Ich bin unschlüssig.
00:30:19: Positiv ist, dass es Frauen gibt,
00:30:21: die trotz aller Umstände für ihre Rechte einstehen
00:30:24: und unterstützt werden möchten.
00:30:26: Heute gibt es durch das Internet und soziale Medien
00:30:31: in unserer vernetzten Welt für Frauen ganz viele neue Chancen.
00:30:35: Sie können nun auf der lokalen, regionalen und internationalen Ebene
00:30:40: mit Medienunternehmern zusammenarbeiten
00:30:43: und für verschiedene Plattformen weltweit schreiben.
00:30:46: Es war noch nie so einfach, für Frauen ihre Stimme zu erheben.
00:30:51: Andererseits verlieren Zeitungen und andere Medien
00:30:54: im Jemen an Bedeutung.
00:30:57: Auch Institutionen wie Journalistenverbände
00:30:59: spielen keine Rolle mehr.
00:31:01: Immer mehr Medien sind mit Parteien verflochten,
00:31:06: was sie eher zu politischen Sprachrohren
00:31:09: als zu journalistischen Organisationen macht.
00:31:13: Für mich ist das ein besorgniserregender Trend.
00:31:16: Denn dadurch wird der Zivide und öffentliche Raum eingeschränkt.
00:31:21: Und auch Frauenthemen finden deshalb weniger Beachtung.
00:31:24: (Er spricht arabisch.)
00:31:26: Wedad, was würdest du denn einer jungen Frau raten,
00:31:29: die gerne im Jemen in den Journalismus gehen möchte?
00:31:32: Ich finde es besonders wichtig, immer auf dem neuesten Stand zu bleiben.
00:31:38: Das Internet ist dafür eine wertvolle Wissensquelle.
00:31:42: Junge Journalister*innen sollten nicht erwarten,
00:31:44: dass man auf sie wartet und ihre Rechte und Fähigkeiten anerkennt.
00:31:48: Sie müssen selbst aktiv nach ihrer Position streben.
00:31:52: Wenn ein Medium ihnen keine Chancen bietet,
00:31:55: sollten sie sich nicht entmutigen lassen.
00:31:57: Es gibt andere Plattformen, die ihnen eine Stimme geben.
00:32:01: Als junge Journalist*innen sollte man sich nicht einschüchtern lassen
00:32:04: oder mit weniger Zufrieden geben, als man anstrebt.
00:32:08: Das ist eine andere Art und Weise, die sie tun.
00:32:11: Vielen Dank für diese wertvollen Eindrücke.
00:32:16: Wie denkst du nun darüber?
00:32:18: Sollte Journalismus eine Möglichkeit nutzen,
00:32:20: um marginalisierte Gruppen und Minderheiten sichtbar zu machen?
00:32:24: Das war es für den Moment von Malwidersprechen.
00:32:27: Mein Name ist Sabrina Harper.
00:32:29: Wenn du dich für weitere spannende Fragestellungen
00:32:32: im Journalismus interessierst,
00:32:34: dann hör doch mal in die anderen Folgen rein.
00:32:37: Bis dahin, mach's gut!
00:32:39: Mal widersprechen ist ein Podcast von "The What If"
00:32:42: in Zusammenarbeit mit der deutschen Journalistenschule
00:32:46: und dem Media Lab Bayern.
00:32:53: [Musik]
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